Diese Frage erhitzt derzeit die Gemüter einiger Branchen und auch der Politik. Wie manch einer weiss, hat ICANN einen Prozess auf den Weg gebracht, der es Interessenten ermöglicht sich um eine eigene TLD zu bewerben. Wie bei allen Dingen im Leben gibt es auch hier die verschiedensten Standpunkte. Auf der einen Seite stehen diejenigen, die sich vehement für neue TLDs einsetzen und auf der anderen Seite Lobbyvereine grosser Marken und Branchen, die das überhaupt nicht wollen.
Wer will die neuen TLDs?
Initiiert wurden die Projekte neuer TLDs meistens von Leuten aus der Domainbranche, Inhaber einer Marke, Leute aus Branchen oder Städte, die sich für eine TLD einsetzen die der eigenen Branche oder dem Stadtnamen entsprechen. Manche Domainprojekte sind auch einfach nur Geschäftsmodelle um sich mit einem Produkt im Markt zu platzieren.
Wer will die neuen TLDs nicht?
Grob gesagt: Alle diejenigen die an der bisherigen Situation gut verdienen oder damit rechnen in einer neuen Situation mehr Geld ausgeben zu müssen. Das sind insbesondere Inhaber von Marken, die eine Menge Geld ausgeben um überall Domains zu registrieren, die sich mit der eigenen Marke decken oder ähneln (siehe diesen Artikel).
Die Strategien aller Parteien, den eigenen Standpunkt klarzumachen, unterscheiden sich im Grunde nicht wesentlich als die der anderen Branchen. Da das Thema ICANN und Internetverwaltung sehr komplex ist und nicht gerade zur Abendlektüre eines Internetnutzers gehört, ist die gesamte Thematik eher schlecht zu fassen – und vor allem schlecht zu bewerten.
Machen neue TLDs überhaupt Sinn?
Es ist eine Tatsache, das es in den begehrten Namensräumen sehr schwer geworden ist, einen gängigen Begriff als Domainnamen neu zu registrieren. Sei es die Branche oder der eigene Name. Für eine Firma, die sich im Netz etablieren möchte, kann es sehr teuer werden sich den passenden Domainnamen zu registrieren. Neue Namensräume bieten hier eine reelle Möglichkeit nicht nur einen Wunschnamen überhaupt zu bekommen, sondern teilweise auch sogar einen Wunschnamen innerhalb der eigenen Branche oder Stadt. Für Städte können eigene Domainnamen eine attraktive Einnahmequelle darstellen – für den Bewohner einer bestimmten Stadt kann es die perfekte Domain sein. Es gibt sogar Projekte wie .HIV, wo Gelder aus den Registrierungen Projekten aus dem Bereich der AIDShilfe zu Gute kommen. Andere Projekte stiften Identität für einen Kulturkreis, wie zB .ZULU. Fakt ist, das sich der Domain-Markt für viele Mitspieler öffnet, wo er vorher ein überschaubarer Spielplatz einer recht kompakten Branche war.
Was man in der üblichen Berichterstattung vermisst, sind echte Auseinandersetzungen mit den verschiedenen Projekten. Sicherlich ist das ein oder andere TLD Vorhaben eher fragwürdig. Aber dafür gibt es ganz konkrete ICANN Vorgaben, die unprofessionelle Bewerber zum scheitern bringen werden.
Man liest häufig davon dass der „Sinn des DNS“ verloren geht und die Stabilität des Internets gefährdet ist. Der Sinn des DNS ist es, IP Adressen in merkbare Namen zu wandeln. Tatsache ist, das neue TLDs den Namensraum sehr viel spezialisierter und „ordentlicher“ erscheint, wenn ich zB. die Sehenswürdigkeiten einer Stadt unter der TLD der betreffenden Stadt erreichen könnte.
Neue TLDs sind die Zukunft
Ich benutze das absichtlich so provokant, denn ich möchte hier einen ganz wesentliches Merkmal in dieser Diskussion heraustellen: Das Internet ist von Anfang an ein Sammelsurium von Innovationen und neuen Ideen. Das Netz fördert und produziert Erweiterungen wo es nur möglich ist und stellt in manchen Teilen einen Spiegel menschlichen Schaffens in einer Gemeinschaft dar.
Diese Entwicklung beginnt überall an den Stellen zu bröckeln, wo neue Entwicklungen den Profit von diversen Platzhirschen beeinträchtigen könnten. Soll die Entwicklung des DNS von Coca-Cola, Kellogs, Siemens, Adidas etc. bestimmt werden (eben diese sind u.a. ein Teil dieser Farce)?
Ich hoffe es wird mal darüber nachgedacht wenn man über einen Artikel über die neuen TLDs stolpert. Es geht gar nicht darum die neuen TLDs gut zu finden: Es geht darum das Gebaren der Profitgeier NICHT gut zu finden.
„zB. die Sehenswürdigkeiten einer Stadt unter der TLD der betreffenden Stadt“
Und was ist das Problem an sehenswuerdigkeit.stadt.land?
Die Länder-TLDs sind eindeutig. Städte-TLDs wären nicht eindeutig, da es Stadtnamen oft in mehreren Ländern gibt. Man nehme bspw. Berlin ( http://de.wikipedia.org/wiki/Berlin_(Begriffsklärung) )
Von daher finde ich das als Beispiel ziemlich sinnlos. Und wirklich sinnige Beispiele habe ich dahingehend noch nie gesehen.
Vielen Dank für diesen Artikel und insbesondere für den Schlußsatz. Da ich einen der vielen möglichen Bewerber repräsentiere, finde ich die Einführung neuer TLDs grundsätzlich gut.
Das bedeutet aber nicht, dass ich alle denkbaren Projekte toll finde. Es wird , wie immer bei Innovationen, Gewinner und Verlierer geben, und die Entscheidung liegt letzten Endes bei den Nutzern, also beim Markt. Die schärfsten Gegner sind in der Tat die erwähnten „Platzhirsche“, die, die grundsätzlich glauben, etwas zu verlieren zu haben. Aber auch das ist bei Innovationen normal, und viele der Gegner arbeiten an zwei Fronten – die Juristen kämpfen PR wirksam gegen das Programm, während die Strategen und die Kommunikationsleute des selben Unternehmens an Geschäftsmodellen für eine z.B. „.brand“ Lösung arbeiten.
Das erklärt vielleicht auch ein stückweit den in dem Artikel beklagten Mangel an Berichterstattung über einzelene Projekte. Viele potentielle Bewerber für eine Marken-TLD werden sich bis zuletzt bedeckt halten, um nicht Wettbewerber mit gleichen oder ähnlichen Marken zu wecken. Andere, generische Projekte werden es ähnlich halten, da hier mit Wettbewerb zu rechnen sein wird und das eigene Geschäftsmodell ein wesentliches Unterscheidungs- und damit Erfolgskriterium sein kann.
Zur Sinnfrage – es ist interessant, dass diese immer wieder diskutiert wird. Die Schaffung eines eigenen Namensraums für eine Großstadt oder eine bestimmte Community mag manch einem sinnlos erscheinen. Aber es wird viele Nutzer geben, die es begrüßen werden, wenn „ihre“ Stadt nun einen eigenen Platz erhält oder ihre Lebensweise eine klare Identität bekommen wird. Dann wird es nicht immer nur um schiere Domainmengen gehen, sondern um relevante Inhalte. Ein gutes Beispiel bietet hierfür die vor einigen Jahren eingeführte Endung „.cat“ für die Gemeinschaft der Katalanen. Zwar wurden „nur“ rund 50.000 Domains registriert. Dafür glänzt dieser Namensraum aber mit einer enormen Inhaltsvielfalt in katalanischer Sprache und mit hohen Sicherheitsstandards. Auch das werden Aspekte sein, die viele der neuen Projekte zu Erfolgsstories werden lassen.
Eine ständig aktualisierte Übersicht über bekannte Projekte mit Links ist auf http://www.newgtldsite.com/new-gtld-list/ zu finden.
Hallo Thomas.
Danke für Ihren Beitrag als jemand aus dem Bewerberumfeld. Ich finde gerade die Diskussion um den Nutzen neuer TLDs wichtig, da ich bei vielen TLDs auch mehr als „nur“ eine Domain sehe. Ebenso gehts mir ums Verständnis der gesamten Sache die derzeit bei ICANN passiert: Der Rest des Netzes wird gerne als globale Ressource verstanden – und warum macht diese Ansicht gerade vor der root halt?
Hallo lookshe.
Eine TLD für mehrere Städte mit gleichen Namen ist noch kein Widerspruch 😉
Es wird grundsätzlich nur eine TLD mit einem bestimmten Stadtnamen geben. Im Falle der Stadt Berlin wird der Faktor „Hauptstadt“ eine wichtige Rolle spielen, da dieser der deutschen Stadt Berlin eine höhere Bedeutung verleiht. Ich weiss aber auch, dass die hinter dotBERLIN stehenden Personen schon sehr früh in Kontakt mit anderen Berlins getreten sind, um deren Befürwortung zu erlangen. Das macht auch deutlich, dass es in der Verantwortung des Bewerbers liegt, die richtigen Schritte zu tun und sich ggf. auch etwas zu öffnen.Wie wahnwitz sagt, ist es auch kein Widerspruch, eine TLD für mehrere Städte gleichen Namens zu haben. Das kann ja auch zu einer verstärkten Kommunikation dieser Städte führen. Die TLD hätte dann zu mehr Verständigung beigetragen.
Dass TLD nicht immer für den ursprünglichen Zweck genutzt werden, dürfte allgemein bekannt sein. Da finden sich unter .de-Adressen englischsprachige Seiten, .com ist keineswegs immer kommerziell und auch .org sind nicht immer gemeinnützlige Organisationen. Ich denke dass neue TLD daher nur einen einzigen Sinn haben: bereits vergebene Namen wieder verfügbar zu machen. Allerdings empfinde ich den Schlußsatz als den Schlüsselsatz in diesem Beitrag.
Hallo bitmuncher, ich finde es schön, dass Du von einem „ursprünglichen Zweck“ sprichst. Denn gerade viele der neuen TLDs werden sich einem Zweck oder einer Community verpflichtet fühlen. Das kann eine ganze Branche sein, wie bei .bank oder .versicherungen, oder eine ideelle Idee wie bei .hiv. Damit wird das Internet um viele ordnende Kriterien reicher. Aber nicht jeder vergebene Name wird unter jeder TLD Sinn machen. Die „Zweckentfremdung“ bestehender Endungen ist zum Einen ein Ausdruck des Mangels an freien Begriffen, zum Anderen aber auch des Mangels an anderen Möglichkeiten, seine Identität oder Aussagen bereits in der Adresse zu zeigen.
Domains werden zukünftig noch stärker als bisher als Teil der Kommunikation genutzt werden können. Das zeigt sich z.B. an viele Domains mit der Endung „.tv“. Dahinter steckt ein kleiner Inselstaat in der Südsee, aber verwendet wird dieses Kürzel von TV Unternehmen. „.by“ steht für Weissrussland, wird aber auch für bayerische Seiten genutzt.
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