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Kabel oder Freileitung?

Als kleine Fortsetzung des Artikels zur Energiewende folgt dieses mal eine kurze Erklärung der Unterschiede zwischen Kabeln und Freileitungen. Genauer gesagt soll es um die Unterschiede im Blindleistungsbedarf gehen, welche maßgeblich die maximale Länge begrenzen.

Da das Publikum vermutlich sehr unterschiedliches Vorwissen besitzt wird dieses mal zweigeteilt: Zuerst kommt eine kurze, hemdsärmlige Erklärung, danach eine exakte, dafür aber komplexere.

Kurzfassung

Jede elektrische Leitung weist parasitäre Nebeneffekte auf, abseits des gewünschen bzw. allgemein bekannten Verhaltens. So gibt es nicht nur einen Längswiderstand, den vermutlich die meisten kennen, sondern auch Kapazitäten, Induktivitäten und Querleitwerte. Die Induktivitäten entstehen dadurch, dass jeder stromdurchflossene Leiter ein Magnetfeld erzeugt, in welches natürlich Energie gesteckt werden muss, auch wenn das nicht gewollt ist. Genaus ist jede Isolierung nicht ideal und es fließen minimale Ströme, zum Beispiel an der Oberfläche von Isolatoren. Dieser Effekt wird meist, vor allem bei Freileitungen, maßgeblich durch die Luftfeuchtigkeit beeinflusst. Für die heutige Betrachtung sind aber die Kapazitäten gegenüber dem Rückleiter und den anderen Leitern hauptsächlich von Interesse. Die Geometrie spielt, wie bei den anderen Werten auch, eine wichtige Rolle dabei und bestimmt die jeweiligen Werte. Die entsprechenden Formeln sind natürlich unterschiedlich, je nach Geometrie, es bleibt aber eine gewisse Grundstruktur erhalten. Deswegen reicht es auch vollkommen aus für grundlegende Überlegungen einen Plattenkondensator zu verwenden. Für den berechnet sich die Kapazität wie folgt:

Gut, nun zu den Unterschieden zwischen Freileitungen und Kabeln. Zuerst einmal sind natürlich die Werte für die Permittivät (epsilon) unterschiedlich, nur liegen die Werte für den relativen, also materialabhängigen Teil, von Luft und den üblichen Isolatoren nicht weit auseinander. Luft liegt bei einem Wert von 1, Polyethylen zum Beispiel bei 2,4 (Quelle). Genauso ist Fläche nicht signifikant unterschiedlich, denn diese wird vor allem durch die Länge der Leitung bestimmt. Große Unterschiede finden sich also nur bei dem Elektrodenabstand d. Um das besser zu erläutern erst einmal ein Bild zum Aufbau eines Einleiterkabels, welches in der Hochspannungstechnik häufig eingesetzt wird:

Zugegebenermaßen, das ist jetzt wahrscheinlich kein Hochspannungskabel aufgrund der dünnen Isolierschicht, aber der prinzipielle Aufbau ist der gleiche. Der Elektrodenabstand für den Kondensator ist hier der Abstand zwischen Leiter und dem Kupferschirm. Der bewegt sich somit in einem Bereich von einigen cm. Bei einer Freileitung hingegen bildet der Abstand zwischen zwei Leitern den Elektrodenabstand, ist also im Bereich von einigen m. Und damit hätten wir auch den Unterschied für die um Größenordnungen höhere Kapazität von Kabeln.

Doch warum sollten hohe Kapazitäten ein Problem darstellen? Hätten wir ein Gleichstromsystem wäre diese nur bei dynamischen Vorgängen, also zum Beispiel bei Ein- und Ausschaltvorgängen, von Bedeutung. Aufgrund der besseren Transformierbarkeit setzte sich aber schon vor langer Zeit das Drehstromsystem durch. In diesem müssen wir nun die Induktivitäten, und vor allem auch die Kapazitäten, pro Periode laden und wieder entladen. Nur sind diese parasitären Effekte keine konzentrierten Bauelemente, sondern verteilen sich über mobile casino die gesamte Länge der Leitung. Damit muss die gesamte Lade- und Entladeleistung über die Leitung geführt werden, zusätzlich zur eigentlich erwünschten Leistungsübertragung. Und wie vielleicht noch aus der Schulbildung bekannt ist die Verlustleistung an einem ohmschen Widerstand proportional zum Quadrat des Stromes. Aus diesem Grund stoßen wir bei einem Kabel sehr rasch an die sogenannte thermische Belastungsgrenze alleine aufgrund des Leistungsbedarf der parasitären Effekte, welche wiederum proportional mit der Länge der Leitung gehen.

Noch einmal, nur etwas genauer

Für das rein prinzipielle Verständnis ist dieser Teil nicht mehr nötig, wer also schon gelangweilt ist möge ihn bitte überspringen.

Ein Übertragungsmedium aus der Sicht eines Elektrotechnikers kann man im Allgemeinen mithilfe von differentiellen Elementen darstellen. Sämtliche Herleitungen können zum Beispiel in Grundlagen der Energieübertragungstechnik von Prof. Dr.-Ing. Josef Kindersberger nachgelesen werden, sollten sich aber auch in jedem guten Buch zur Thematik finden lassen.

Für uns vor allem von Interesse ist der Wert der Ersatzkapazität als konzentriertes Element. Aufgrund er Geometrie ergibt sich dabei für ein Einleiterkabel (Quelle):

Im Gegensatz dazu ist die Berechnung der Kapazität der Drehstromfreileitung erheblich komplexer. Man muss hierbei zum einen von einer Verdrillung der Leiter für eine bessere Symmetrie ausgehen, zum anderen existieren auch Kapazitäten gegenüber den beiden anderen Leitern. Außerdem ist die Höhe nicht konstant, sondern es kommt üblicherweise zu einem nicht unerheblichen Durchhang zwischen den Masten. Kurz gefasst: die folgende Formel ist nur eine Näherung.

Wobei D der mittlere Abstand der Leiter und r der Radius der Einzelleiter ist.

Gut, nachdem nun die Formeln bekannt sind können sie im Verhältnis zueinander betrachtet werden. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Einzelleiter ähnliche Radien aufweisen:

Die oben angewandte Näherung mit dem Plattenkondensator war also nicht ganz korrekt, aber die Tendenz ist die selbe. Dadurch, dass D um Größenordnung größer als R ist ergibt sich für ein Kabel tendenziell eine erheblich größere Kapazität.

Grundsätzlich wäre es möglich diese Blindleistung mithilfe von Spulen zu kompensieren, damit könnte man rein theoretisch sogar in die Nähe eines natürlichen Betriebes der Leitung kommen. Praktisch bedeutet das jedoch, dass ca. alle 25 bis 30 km Kompensationsanlagen errichtet werden müssen, welche in etwa die Fläche von einigen 1000 m² benötigen (Quelle).

Fazit

Eigentlich folgt nun ein ähnliches Fazit wie beim letzten Beitrag zum dem Thema. Das ist aber an sich nicht verwunderlich, da dieser Beitrag im Grunde genommen nur eine Erklärung zu einer Behauptung des letzten ist.

Kabel sind aus elektrischer Sicht erheblich unbequemer als Freileitungen, man erreicht schon bei kurzen Leitungslängen die thermische Belastungsgrenze alleine durch den Blindleistungsbedarf.

Für Interessierte bietet sich eine kurze Abhandlung von Prof. Dr.-Ing. Hans-Ulrich Paul an: Kabel oder Freileitung

 

Zugegebenermaßen, das ist jetzt wahrscheinlich kein Hochspannungskabel aufgrund der dünnen Isolierschicht, aber der prinzipielle Aufbau ist der gleiche. Der Elektrodenabstand für den Kondensator ist hier der Abstand zwischen Leiter und dem Kupferschirm. Der bewegt sich somit in einem Bereich von einigen cm. Bei einer Freileitung hingegen bildet der Abstand zwischen zwei Leitern den Elektrodenabstand, ist also im Bereich von einigen m. Und damit hätten wir auch den Unterschied für die um Größenordnungen höhere Kapazität von Kabeln.

2 comments

  1. Ich bin mal so frech und schreibe selber den ersten Kommentar. Bei meiner Recherche zum Platzbedarf von Kompensationsanlagen bin ich nämlich auf das nette PDF von Prof. Paul gestoßen. Ungünstigerweise hat er (bzw. eigentlich ich) den selben Titel gewählt. Lustiger Zufall, ist aber nicht beabsichtigt. Da ich da aber schon fast fertig mit dem Beitrag war wollte ich jetzt nicht mehr groß am Titel rumbasteln.
    Den Kommentar konnte ich mir jetzt nicht verkneifen, ansonsten heißt es noch das ist ein Produkt a la Guttenberg.

    mfg benediktibk

  2. Ah, sehr interessanter und soweit ich das beurteilen kann guter und gut verständlicher Beitrag den ich gerade nur fix überflogen habe. Da ich die Frage nach Blindleistung losgetreten habe: mir persönlich hätte nur die Begründung ausgereicht, dass die Kabel eine metallische Isolierung haben. Das war mir nicht bewusst – kenne ich eigentlich nur aus der Signaltechnik. Hätte ich etwas nachgedacht, wäre ich von selbst darauf gekommen, da schließlich Drei-Phasen-Strom übertragen wird. Bei einer Phase wäre die Isolierung nicht nötig.

    Danke für den schönen Beitrag! 🙂

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